Olaf Metzel, © IMAGO / Charles Yunck

5 Fragen an...

Olaf Metzel

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9 Minuten
08.08.2024 0

Die Ausstellung "Olaf Metzel: Deutschstunde" widmete sich 2024 in Schloss Belvedere und im Liszt-Haus mit mehr als 20 zum Teil großformatigen Arbeiten den gesellschaftspolitischen Ereignissen der jüngsten deutschen Geschichte. Wir sprachen mit Olaf Metzel über seinen Schaffensprozess, Fragen nach Materialität, seine Arbeit für Weimar und einiges andere.

Das Interview wurde zur besseren Verständlichkeit redaktionell bearbeitet und gekürzt.

»Mir macht es Spaß, die Sinnlichkeit, die Kreativität als solche zu haben, und das kann ich nur vielen empfehlen. Ob jemand fünf ist oder 50 oder klein oder groß oder dick oder dünn – vollkommen wurscht. Macht, Leute. Lasst es raus.«
Herr Metzel, Sie stellen in Weimar aus. Wie passt das zusammen – zeitgenössische Kunst und die Klassikerstadt?
Ja, ich war natürlich das erste Mal in Weimar, um mir die Räumlichkeit anzusehen. Und man kennt es ja normalerweise: Ausstellungen im White Cube, alles glatte Museumswände und Ähnliches. Aber seine Arbeit im Schloss Belvedere oder im Liszt-Haus in einer ganz anderen Form nochmal zu zeigen, bietet für Besucher eine Art von Konfrontation, meiner Ansicht nach. Es ist ein Angebot.
Ihre Ausstellung trägt den Titel "Olaf Metzel – Deutschstunde". Hat dieses Land eine Bildungseinheit nötig?
Da muss ich etwas ausholen. "Deutschstunde" kann man sehr vielfältig verstehen. Ich meine, man lernt nie aus. Es gibt viele Menschen, die bis an ihr Lebensende bemüht sind, dazuzulernen – und andere, die das grundsätzlich ausschließen. Das steht mir aber nicht zu zu beurteilen.

Ich kann als Künstler weder etwas verändern noch bewirken. Ich sehe das eher so: Wenn man im Zug sitzt, ziehe ich ab und zu mal die Notbremse. Dann bremst der Zug, ruckelt ein wenig – wahrscheinlich ruckelt es nur bei mir – und fährt dann weiter. So würde ich das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft in diesem Zusammenhang beschreiben.
Beim Betrachten Ihrer Werke drängen sich Fragen nach Identität und Milieu auf. Zum Beispiel bei dem Werk "Ich hasse Schule". Was interessiert Sie an diesen Themen?
Ich muss gestehen, dass ich nicht gern zur Schule gegangen bin und mich sehr schwergetan habe. Ich glaube, es ist vielen so gegangen, und ich war froh, als die Schulzeit vorbei war. Ich habe mich dann entschieden, Künstler zu werden, und meine Eltern sagten, 'das ist ja eine tolle Idee, aber willst du nicht erst mal was Richtiges lernen'. Also Spaß beiseite, es ist natürlich ein Thema, die Bildung.
Ich habe mich in Berlin mit Lehrern unterhalten, die auch unter anderem an Brennpunktschulen unterrichten. Die sagen, Deutsch ist in Berlin teilweise die erste Fremdsprache. Das wird negiert, das wird einfach teilweise nicht wahrgenommen. Wenn 95 Prozent der Schüler nicht deutscher Herkunft sind – so wird das ja offiziell formuliert –, dann fängt man schon an, sich Gedanken zu machen. Und wenn man dann die Schulklassen sieht und dann das, was an den Wänden, auf den Toiletten und so weiter passiert, dann dachte ich, dann machen wir doch mal eine andere Geschichte draus.

In München habe ich Gymnasiasten eingeladen und in Duisburg sogenannte bildungsferne Schichten. Ich habe mit denen nicht gearbeitet, sondern eigentlich Material zur Verfügung gestellt, nämlich Schultische, blank. Und in Bayern ist es so, dass, wenn man nicht auf seinen Schultisch aufpasst – und jeder hat einen, auf den er aufpassen muss –, und der beschmiert wird, dann kostet das 100 Euro. Insofern wird natürlich auf eine andere Art und Weise die Kreativität ausgebremst. Also habe ich denen die Möglichkeit gegeben: Farbe, Stifte, alles, was man so braucht – die Mucke haben sie selber mitgebracht, die Getränke habe ich für sie besorgt, Zigaretten und alles – und die hatten im Atelier einen riesen Spaß, endlich mal so richtig loszulegen. Und ob das nun Gymnasiasten waren oder bildungsferne Schichten, es ist vollkommen gleich und egal. Beide hatten dieselben Sprüche.

Teile vom Schloss haben mich an meine eigene Schulzeit erinnert, ans Gymnasium. Ich dachte, das bringe ich hier auch mal so ein bisschen rein. Diese ehrwürdigen alten Gebäude. Ich beschäftige mich nun einmal mit Raum und dementsprechend damit, die Arbeiten darin einzubringen und dann pointiert zu präsentieren. Das war mir wichtig und ich hoffe, es geht den Besuchern genauso.
Der Galerist Rudolf Zwirner sagte einmal, Sie fänden immer neue Formen und Materialien für neue Themen. Welches Material nutzen Sie in Weimar?
Ich setze immer das Material entsprechend des Themas ein, das mich interessiert. Und natürlich interessiert mich immer, wenn man in der Zeitung liest, wie sind die Themen, habe ich mich damit beschäftigt, wie kann ich das materialtechnisch rüberbringen. Und zwar eben beidseitig bedruckt und dann noch verformt. Das heißt, wenn man also ein Blatt Papier nimmt, zum Beispiel: einmal falten ist kein Problem, zweimal kein Problem, dreimal – dann wird es schon biegelsteif. Wenn man dann noch versucht, das zu drehen und daraus eine Skulptur zu machen, dann merkt man diesen massiven Widerstand. Und das ist für mich die eigentliche Bildhauerei. Egal welches Material.

Hier habe ich natürlich eine große Installation gemacht, die "Deutschstunde" heißt. Ich habe mich auf das Material Aluminium beschränkt und zusammengefasst, was mich beschäftigt. Das kann natürlich ein Schriftbild sein, ein Satzzeichen, kann aber auch das ganze deutsche Theater sein. Oder eben auch NSU oder Hannah Arendt. Also all diese Themen zusammengefasst.

Ein bisschen speziell für die Raumsituation ist auch eine Skulptur, die auch ein Aluminiumguss ist, auf einem Marmorsockel: „Oberkante Unterlippe“, ein Slang-Ausdruck, wo man eine Hand unter das Kinn hält und sagt: „Mir reicht’s“, „Ich hab die Schnauze voll“ und so weiter. Also ich denke, das muss auch sein, und ich denke, es gibt viele Leute, denen es genauso geht. Zum Beispiel, wenn man Nachrichten sieht.
Man sagt Ihnen oft nach, mit Ihrer Kunst zu provozieren. Kann man heute überhaupt noch provozieren?
Dabei an Provokationen zu denken, das geht gar nicht. Das kann man nicht inszenieren. Es gibt immer Leute, die sich aufregen, schlechte Laune haben oder mit sich und der Welt unzufrieden sind. Das kann ich auch nicht ändern. Aber jeder macht seine Sachen und versucht, gut zu sein, und das würde ich als Moment sehen. Mir macht es auch Spaß, die Sinnlichkeit, die Kreativität als solche zu haben, und das kann ich nur vielen empfehlen. Ob jemand fünf ist oder 50 oder klein oder groß oder dick oder dünn – vollkommen wurscht. Macht, Leute. Lasst es raus.

Zur Person

Olaf Metzel (* 1952 Berlin, lebt und arbeitet in München) lehrte fast drei Dekaden an der Akademie der Bildenden Künste in München, wo er von 1995 bis 1999 Rektor war. Das Werk des vielfach ausgezeichneten Künstlers mit zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland findet sich in bedeutenden internationalen Museen und Sammlungen. Skulpturen im öffentlichen Raum sind in Deutschland, im europäischen Ausland und Asien zu sehen. Metzel kuratiert Ausstellungen, veröffentlicht Beiträge in Magazinen und Zeitungen und ist Herausgeber zahlreicher Publikationen.

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