
Simon Schwartz, © Paulina Knebel
5 Fragen an...
Simon Schwartz
Der Comickünstler Simon Schwartz hat für „Faust. Eine Ausstellung“ verschiedene Arbeiten angefertigt. Die Ausstellung fragt danach, ob uns „Faust“ heute noch etwas angeht. Wir haben mit Simon Schwartz über sein Verhältnis zu Goethes Meisterwerk, über den Entstehungsprozess seiner Arbeiten für Weimar und über einiges andere gesprochen. Jetzt lesen oder reinhören!
»Goethe – ausgerechnet Goethe – ist der erste dokumentierte Comic-Fan.«
Das hat sehr, sehr viel Spaß gemacht, war aber tatsächlich auch recht herausfordernd. Denn es ist ja so, dass der Homunculus seine gesamte Reise in einer Fiole macht. Und das – ich sage jetzt mal überspitzt – hat der Goethe sehr schnell geschrieben: dass er eben mal in einer Fiole durch die Gegend reist. Aber wenn dann ein paar hundert Jahre später ein Illustrator das lösen muss, wie denn jetzt ein Wesen in einer Fiole zum Beispiel auf den Rücken eines Delfins steigt, um mit ihm durchs Meer zu schwimmen, dann ist das doch auf einmal recht fordernd. Denn etwas, das im Text eher vage und abstrakt bleibt, muss dann konkret und bildhaft umgesetzt werden.
Ich habe natürlich – das ist dann mein persönlicher Spaß – auch immer wieder Querverweise in die Bilder eingebaut, die man entdecken kann oder vielleicht auch nicht entdeckt. Ein Beispiel: Auf der Karte ist das Schloss des Kaisers an das berühmte Schloss Xanadu aus Citizen Kane, dem gleichnamigen Film von Orson Welles, angelehnt. Der Karneval, der davor tanzt, orientiert sich am Totentanz aus Das siebte Siegel von Ingmar Bergman. Also ging es auch darum zu schauen: Nicht nur, wer zitiert Goethe – sondern wie kann man rückwirkend zitieren? Dinge also, die Goethe vielleicht hätte einfließen lassen, hätte er sie gekannt. Ähnlich – wie ich vorhin zum Thema Faust II und „Kill Your Darlings“ gesagt habe – habe ich vielleicht auch eigene Lieblingsthemengebiete und „Rabbit Holes“, wie etwa den Deichbau bei Goethe, unbewusst in meine Bilder einfließen lassen. Ein weiteres Beispiel: Der Mephisto ist bei mir sehr androgyn dargestellt, mit einem großen weißen Hemdkragen. Und parallel arbeite ich gerade an einem Buch über die Kindheit und die sehr, sehr traumatische Jugend von Karl Lagerfeld, das dieses Jahr noch erscheinen wird. Es entstehen also automatisch Querverweise zu meinem eigenen Œuvre. Und ich glaube, das passiert zwangsläufig, wenn man sich künstlerisch mit etwas auseinandersetzt: dass alles, woran man arbeitet, auf eine gewisse Weise miteinander verbunden ist.
Zur Person
Simon Schwartz, geboren 1982 in Erfurt, ist einer der bekanntesten deutschen Comickünstler. Er debütierte 2009 mit „drüben!“, einer Graphic Novel über die Ausreise seiner Eltern aus der DDR. Sein Buch „Packeis“ wurde 2012 mit dem Max und Moritz-Preis ausgezeichnet. Für die Stasi-Gedenkstätte in Erfurt gestaltete er den 7 x 40 Meter großen Bildfries für den „Kubus der friedlichen Revolution". 2017 und 2019 ehrte ihn der Deutsche Bundestag mit Einzelausstellungen. 2018 zeigte das Angermuseum in Erfurt erstmals eine umfassende Werkschau von Schwartz’ Arbeiten.
Simon Schwartz ist zudem Herausgeber von Die Liebesabenteuer des Monsieur Vieux Bois, ein Buch über und mit Comics von Rodolphe Töpffer.
Faust. Eine Ausstellung
Künstliche Intelligenz, das Ringen um Identität, die Krisen des Kapitalismus, Liebe und Verrat, die Kraft der Natur und die Folgen ihrer Zerstörung – all diese Punkte werden in Goethes Hauptwerk „Faust“ verhandelt und sind aktueller denn je. Besucher*innen von Faust. Eine Ausstellung
können in der zentralen Ausstellung zum Themenjahr 2025 in diese und weitere Themen des Werks anschauend, hörend, lesend und mitmachend eintauchen. Immer steht dabei der Text, das sprachliche Kunstwerk, der Klang der Verse im Mittelpunkt. Hier erfahren Sie mehr.
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