Ludwig Philipp Strack, Mansholter Eiche, 1832, © Stadtmuseum Oldenburg

Baumpflege in Zeiten des Klimawandels

Totholz und Romantik

20.06.2024 4

Die alten und absterbenden Bäume in den historischen Parkanlagen der Klassik Stiftung Weimar erinnern vielfach an romantische Gemälde aus dem 19. Jahr­hun­dert. Doch die Totholzbildung geht vor allem auf den Klimawandel zurück. Gar­ten­ex­per­te Andreas Pahl weiß, dass ein neuer Umgang in der Baumpflege er­for­der­lich ist.

Der Klimawandel und die damit verbundenen Dürreperioden setzen dem Baum­be­stand in den historischen Parks und Gärten der Klassik Stiftung Weimar sicht­bar zu. Die Auswirkungen von Trockenstress führen insbesondere bei Altbäumen zu einer vermehrten Totholzbildung und einem schnelleren Absterben. Viele Bäume stehen bereits vor einem natürlichen Generationenwechsel, da sie während der Ent­ste­hung der Landschaftsgärten im frühen und mittleren 19. Jahrhundert ge­pflanzt wurden und sich ihre Lebensspanne dem Ende neigt. Doch die Folgen des Kli­ma­wan­dels be­schleu­ni­gen diesen Prozess, sodass ein neuer Umgang in der Baum­pfle­ge er­for­der­lich ist.

Totholz und Romantik

Alte und absterbende Bäume haben eine besondere Ästhetik, die insbesondere von den Malern des 19. Jahrhunderts aufgegriffen wurde. Zuerst denken wir natürlich an Caspar David Friedrich, als bedeutenden Maler der Romantik. In seinem Gemälde Ab­tei im Eichwald (1809-10) sehen wir Eichen mit reduzierten, teilweise aus­ge­bro­che­nen Kronen, die eine Kirchenruine rahmen. Aus baumpflegerischer Sicht zeichnen sich die Bäu­me durch eine geringe Vitalität und sinkende Lebenserwartung aus, doch künstlerisch sind sie prägend für die Romantik.

Sie haben für uns auch weiterhin einen Nutzen. Alte Bäume sind einerseits wichtige gartenkünstlerische Elemente, die die ästhetische Wirkung historischer Gar­ten­an­la­gen unterstützen. Andererseits stellen sie besondere Habitate für ge­schütz­te Arten dar, insbesondere für Vögel, Insekten und Fledermäuse.

Ein anderer Eindruck drängt sich bei Betrachung des Gemäldes Der einsame Baum (1822) auf, eines der bekanntesten Werke Caspar David Friedrichs. Es zeigt eine so­li­tär stehende Eiche mit einer zurückgetrockneten und abgebrochenen Kro­nen­spit­ze. Die Eiche ist kompositorischer Mittelpunkt des Bildes, ihre trockene Kro­nen­spit­ze über­ragt die Bergkulisse im Hintergrund und reicht bis in die Wolken. In den Parks der Klassik Stiftung Weimar gibt es ähnliche Bäume. Ihr Aussehen ist eine di­rek­te Folge des Klimawandels, insbesondere der letzten Dürrejahre 2018 bis 2022.

Caspar David Friedrich, Der einsame Baum, 1822, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Jörg P. Anders

Baumpflege damals und heute - ein exemplarischer Vergleich

Heutzutage orientiert sich die Baumpflege in der Regel an technischen Richtlinien und Vertragsbedingungen, die darauf abzielen, die Verkehrssicherheit zu ge­währ­leis­ten. Es wird beispielsweise Totholz durch einen präzisen Schnitt entfernt, um Pas­sant*in­nen vor möglichen Astbrüchen zu schützen. Dies war in früheren Zeiten allein schon aus technischen Gründen kaum möglich. In dem Bild Mansholter Eiche (1832) von Ludwig Philipp Strack aus dem frühen 19. Jahrhundert zeigt sich noch ein an­de­rer Umgang. Auf dem Gemälde ist eine alte Eiche mit absterbender Krone zu seh­en. Der Baum ist von einem Zaun umgeben, der vermutlich vor herunter­brech­en­den Äs­ten schützen soll. Darüber hinaus ist es denkbar, dass die Absperrung auch den Baum und dessen Wurzelbereich schützen sollte, um ihn als Na­tur­mo­nu­ment für die Nach­welt zu erhalten.

Ludwig Philipp Strack, Mansholter Eiche, 1832, © Stadtmuseum Oldenburg

Es gibt also unterschiedliche Wege, alte Bäume baumpflegerisch zu behandeln. Wenn ein Baum so weit geschädigt ist, dass man weder eine wirksame Abschottung noch einen Wundverschluss erreichen kann, muss zur Entnahme von Totholz nicht zwing­end ein gerader Schnitt mit der Motorsäge erfolgen. Aus baumbiologischer Sicht kann ein abgestorbener Ast auch abgebrochen werden. Dieses Prinzip hat sich bereits in einigen his­to­ri­schen Gärten etabliert, wie zum Beispiel auf der Pfaueninsel in Berlin. Diese ist für ihren großen Bestand an Alteichen bekannt. Auch in den his­to­ri­schen Parkanlagen der Klassik Stiftung Weimar wurde dieses Verfahren bereits in ei­ni­gen Fällen angewendet. Es verbindet neue Erkenntnisse in der Baumpflege mit dem ästhetischen Empfinden des 19. Jahrhunderts.

Caspar David Friedrich, Herbstabend am See, um 1805, © Klassik Stiftung Weimar

Wir können heute nicht mehr davon ausgehen, dass neu gepflanzte Bäume ein ähn­lich hohes Alter von mehreren hundert Jahren wie ihre Vorgänger erreichen. Da­für ha­ben sich die klimatischen Bedingungen in zu kurzer Zeit verändert; die wei­te­re Dy­na­mik sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf den Baumbestand blei­ben un­vor­her­seh­bar. Gleichzeitig sterben viele Bäu­me ab. Es wird daher un­um­gäng­lich sein, alte Bäume so lange wie möglich zu erhalten und gleichzeitig verstärkt neue Bäu­me zu pflanzen. Dabei stehen wir vor der Herausforderung, Baum­ar­ten zu finden, die bes­ser an die neuen klimatischen Bedingungen angepasst sind.

Wie weiter mit dem Baumbestand?

In diesem Kontext wird häufig über die Verwendung von sogenannten Klimabäumen diskutiert. Darunter versteht man Bäume, die aufgrund ihrer Herkunft besser mit Tro­cken­pe­ri­oden umgehen können als heimische Bäume. Es gibt bereits viele Ver­suchs­pflan­zung­en von Stadtbäumen, die ursprünglich in Südosteuropa oder in Asien be­hei­ma­tet sind. Dazu gehören beispielsweise die Ungarische Eiche oder der Schnur­baum. Doch eignen sie sich auch für historische Gartenanlagen?

Die Parkanalgen der Klassik Stiftung Weimar sind durchkomponierte Gar­ten­kunst­wer­ke. Die Bäume wurden bewusst nach Wuchs, Farbe, Blattform oder Blüte aus­ge­sucht, um bestimmte Bilder und Stimmungen zu erzeugen. Bäume, die nur aufgrund ihrer höheren Klimaresilienz ausgesucht werden, könnten das Er­schei­nungs­bild der Gärten und Parks nachhaltig verändern und somit die künst­le­ri­sche Aussage und die Denkmaleigenschaft der Anlagen beeinträchtigen.

Eine mögliche Alternative stellen genetisch angepasste Ersatzbäume dar. Das sind Bäume der gleichen Gattung und Art, die aber eine andere, meist südlichere, ge­ne­ti­sche Herkunft haben. Bei einem darüber hinausgehenden Gattungs- und Ar­ten­wech­sel muss zwingend auf einen ähnlichen Habitus geachtet werden, um die Bildwirkung zu erhalten. Denkbar und auch schon in den Parks der Klassik Stiftung Wei­mar an­ge­wen­det, ist ein Wechsel von Fichte zu Douglasie oder anderen Koniferen ähn­li­chen Wuch­ses. Es gibt auch bei den Laubbäumen vielversprechende Ver­suchs­pflan­zung­en in anderen Schlösserverwaltungen. Hier werden beispielsweise südländische Eichen, wie die Zerreiche, als Ersatz für heimischen Eichen gepflanzt.

Als lebendiges Kunstwerk haben sich die Gartenanlagen schon immer verändert. Doch der Klimawandel scheint nochmal eine ganz neue Dimension hervorzurufen. Was den Erhalt von alten Bäumen angeht, müssen wir unsere Sehgewohnheiten daher langfristig ändern – und den ästhetischen Wert von absterbenden Bäumen anerkennen.

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