Immersives Erleben des Goethe Wohnhaus

Unveiling Spaces

05.08.2024 5

Kreative digitale Ansätze, um Räume wie Goethes Arbeitszimmer und das Brückenzimmer hybrid und interaktiv erlebbar zu machen? Studierende entwickelten genau das: Extended Reality-Ideen für das Haus am Frauenplan. Annika Schlimm und Paula Zander über ein Workshopformat der besonderen Art.

Wie wäre es, gemeinsam mit Goethe und Schiller durch das Haus am Frauenplan zu wandeln? Und was verbirgt sich hinter all den Schubladen? Was nach einer Zeitreise klingt, könnte in virtuellen Vermittlungsangeboten erlebt werden. Erste Einblicke in Goethes digitale Zukunft bietet der bereits seit 2023 im Wohnhaus befindliche Goethe Apparat. Vor einer raumfüllenden Videowand können Besuchende sich mithilfe von Controllern interaktiv in Goethes Arbeitszimmer bewegen. Ebenfalls werden im Verbundprojekt Goethe Live 3D im Veranstaltungsraum des Goethe Nationalmuseums mittels VR-Brille digitale Besuchsmöglichkeiten getestet. Interessierte können dabei an ausgewählten Tagen in eine Rekonstruktion des Wohnhauses eintauchen; Goethe aufs Dach steigen und das Haus in Unordnung zu bringen ist hier nicht nur möglich, sondern ausdrücklich gewünscht.

Auf der Suche nach neuen Impulsen, Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten für ein hybrides Museum fand im Februar eine Ideenwerkstatt mit 18 Teilnehmenden aus Deutschland und Österreich unter Leitung von Franziska Ritter (TU Berlin) und Prof. Pablo Dornhege (HTW Berlin) statt. Unter dem Motto „Unveiling Spaces - das Un­sicht­ba­re sichtbar machen in Goethes Wohn- und Arbeitsstätte in Weimar” ent­war­fen die jungen Nachwuchskreativen in drei Tagen Konzepte und erste Anwendungen für drei prominente Räume des Wohnhauses: Goethes Arbeitszimmer, das Ma­jo­li­ka­zim­mer und das Brückenzimmer. Im Titel des Workshopformats steckt dabei auch bereits die zentrale Fragestellung, um die die Projekte kreisen sollten: Wie schafft man es, das Unsichtbare sichtbar zu machen? Dieses Unsichtbare können dabei verschiedene Zeitschichten und Begebenheiten ebenso sein, wie Emotionen oder Aspekte musealer Inszenierung. All das ist im analogen Kontext des Goethe Wohnhaus schwer zu realisieren, der digitale Raum bietet hier Er­wei­te­rungs­po­ten­tia­le für Zeitreisen, innovative Wissensvermittlung und spielerische Erkundungen.

Drei aus dem Organisator*innen-Team und drei zentrale Spielorte, v.l.n.r: Pablo Dornhege, Franziska Ritter und Alexander Methfessel; Arbeitszimmer, Majolikazimmer, Brückenzimmer

Der 1. Tag – Inspiration durch Extended Reality

Der Auftakt am Donnerstagnachmittag stand ganz im Zeichen der Inspiration. Im Digital Bauhaus Lab der Bauhaus Universität Weimarkonnten die Teilnehmenden verschiedene sogenannte Extended Reality (XR) Anwendungen testen. Der Sam­mel­be­griff bündelt drei zentrale Konzepte: Virtual Reality (VR), in der die analoge Realität vollständig durch eine digitale ersetzt wird, Augmented Reality (AR), die die Realität (zum Beispiel via Smartphone) um eine digitale Ebene erweitert, sowie Mixed Reality (MR), bei der analoge und digitale Welt vermischt werden, sodass Nutzende im Digitalen mit realen Personen oder Objekten interagieren können. Getestet wurden demnach eine Vielzahl teils von den Studierenden und Dozierenden selbst ent­wor­fe­nen Projekte auf unterschiedlichsten Medientypen. Vom ‚klassischen‘ iPad, über VR-Brillen bis zum ‚Multi-User 3D-Screen‘ war alles dabei. Die Testenden verwandelten sich dabei zu fliegenden Tauben im geteilten Berlin oder unterhielten sich mit Möbeln in Walter Gropiusʼ ikonischem Arbeitszimmer. Dabei sollten die Studierenden Fragestellungen zum Thema Visualisierung, Sichtbarkeit, Vermittlung und Gestaltung bereits im Hinterkopf behalten. Anschließend an diese intensive digitale Testphase folgte eine analoge Begegnung mit Goethes Wohnhaus bei einem abendlichen Rundgang. Das gemeinsame Abendessen hielt dann noch reichlich Gesprächsbedarf und erste Ideen für Goethes Wohnhaus bereit.

Mit vollen Köpfen starteten die Teilnehmenden in den zweiten Tag. Die Basis für die Arbeit mit den drei Räumen bildeten neben den am Vortag kennengelernten An­wen­dun­gen Informationen zur Nutzungsgeschichte und Inszenierung der Räumlichkeiten im Wohnhaus, sowie ergänzende Impulsvorträge von den Expert*innen Lena Thiele, Maren Demant und Christoph Brosius zu Themen wie Storytelling, Szenografie oder Gamification. In jeweils zwei Kleingruppen pro Raum wurden erste Konzepte und Prototypen für Goethes Arbeitszimmer, das Majolikazimmer und das Brückenzimmer entwickelt, mit dem Ziel die Räume immersiv und interaktiv erlebbar zu machen. Die Gruppen waren dabei so zusammengestellt, dass sich auf der einen Seite ver­schie­de­ne fachliche Hintergründe aus den Bereichen Bühnenbild, Design, Kultur oder Medien ergänzen konnten, auf der anderen Seite entstanden durch die heterogenen Teams ganz unterschiedliche Projekte und thematische Schwerpunkte. Dies spiegelte sich bereits in den Arbeitsphasen wider, in denen neben Foto- und Datenmaterial der Stiftung auch eigene Zeichnungen sowie digitale und analoge Modelle zum Einsatz kamen.

Der 2. Tag – Mit Pappkarton und Gamification zu neuen Digitalkonzepten im Goethe Wohnhaus

Abschluss – Präsentation der Konzepte

Am Samstag folgte der Höhepunkt der Ideenwerkstatt: Die Projekte mit den klingenden Arbeitstiteln Unveiling Majolika, Schöner Wohnen mit Goethe, 15 Minuten mit Goethe, Herzkammer, Viele Seelen wohnen, ach, in meiner Brust und Ghosts of Goethe wurden nach ein paar letzten intensiven Arbeitsstunden im Ver­an­stal­tungs­raum des Goethe Nationalmuseum präsentiert. Neben den Veranstalter*innen hatte sich ein buntes, interessiertes Publikum eingefunden, um den Vorträgen zu lauschen und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Die Konzepte reichen von einem Goethehaus-Baukasten mit Augmented-Reality-Aspekten über interaktive Erlebnisrouten im Projekt bis hin zu einem Virtual-Reality-Theater mit Szenen aus Goethes Leben. Dabei stehen häufig interaktive Mög­lich­kei­ten im Fokus, die es Besuchenden erlauben würden, miteinander oder mit den Gegenständen in Kontakt zu treten. So könnten beispielsweise Möbel im Modell verstellt werden (Schöner Wohnen mit Goethe) oder der Raum durch verschiedene Brillen betrachtet und so zur Reflexion über die eigene Wahrnehmung angeregt werden (Unveiling Majolika). Einige Projekte befassten sich mit Möglichkeiten über die konkreten Zimmer hinaus und entwarfen Touren, die eine Brücke in andere Zimmer und den Stadtraum schlagen könnten (Viele Seelen wohnen, ach, in meiner Brust). Weitere Anwendungen greifen die Nachfrage nach und gleichzeitig das Problem der Haptik im Digitalen auf und liefern Ideen, wie Nachbildungen der Zimmer im Stadtraum als Basis für Mixed Reality-Anwendungen dienen können (15 Minuten mit Goethe, Herzkammer). Den Wunsch, Goethe einmal hautnah und vermeintlich authentisch zu erleben, erfüllen filmische Inszenierungen via VR, in denen Besuchende gleichzeitig mit Goethe und seinen Zeitgenoss*innen im Haus wandeln können (Ghosts of Goethe).

Die Projekte zeigen Möglichkeiten auf, die Räumlichkeiten langfristig hybrid erfahrbar zu machen. So können nicht nur bestehende oder vernachlässigte Narrative auf innovative Art und Weise vermittelt, sondern auch neue Zielgruppen erreicht werden.

Initiiert wurde die Ideenwerkstatt von Vertreter*innen der Klassik Stiftung Weimar: Dirk Wintergrün, Kristina Johannes und Alexander Methfessel. Die Projekte der 18 Teilnehmenden entstanden unter der inhaltlichen Leitung der Dozierenden Franziska Ritter von der Technischen Universität (Studiengang Bühnenbild Szenischer Raum) und Prof. Pablo Dornhege von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (Studiengang Kommunikationsdesign) in Berlin mit Unterstützung der Bauhaus Universität Weimar und Consensive.

Alle Ergebnisse des Workshops, reich bebildert mit konzeptuellen Visualisierungen der Teilnehmenden, sind hier abrufbar.

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