„Gropius‘ Einladung an die Frauen war erst mal ernst gemeint”

Über die Frauen am Bauhaus

Art: InterviewAutor: Anke Blümm
24.09.2021 0

Am Bauhaus herrschte die Vorstellung, dass Frauen für das zünftige Handwerk nicht geeignet seien. Anke Blümm, Kuratorin der Ausstellung „Vergessene Bauhaus-Frauen“ im Bauhaus-Museum Weimar, erzählt im Interview, wie sich viele Künstlerinnen dennnoch behaupteten.

Ariane Lemma: Frau Blümm, am Bauhaus Weimar waren 1919 mehr Frauen als Männer eingeschrieben. Wie kam es dazu?
Anke Blümm: Walter Gropius eröffnete das Bauhaus 1919, da war gerade der Erste Weltkrieg zu Ende. Viele der Studierenden kamen von den beiden Vorgängerinstitutionen, der Großherzoglichen Hochschule für bildende Kunst und der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule Weimar. Gropius trat an, diese beiden zu vereinen. Viele der Männer waren gefallen, die Frauen aber waren noch da. Das waren zwar mutige, voranstrebende Frauen, aber zunächst nicht alles wilde Freigeister, die eine neue Gesellschaft aufbauen wollten. Erst nachdem Gropius sein Manifest veröffentlicht hatte, in dem er die Aufnahme „jeder unbescholtenen Person, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht“ garantierte, kamen Frauen wegen der neuartigen Ausrichtung des Bauhauses nach Weimar.

Katt Both in Tanzpose – sie arbeitete später erfolgreich als Architektin und Möbeldesignerin.

Welche Möglichkeiten hatten die Studentinnen am Bauhaus?
Gropius’ Einladung an die Frauen war erst mal ernst gemeint. Als es dann aber doch so viele Bewerberinnen gab, war er nicht mehr so begeistert. Vor dem Krieg hatte es schon viele Kunstschulen rein für Frauen gegeben, wie die Damenakademien in München und Berlin. Zu denen wollte er mit dem Bauhaus auf keinen Fall gehören. Es herrschte auch die traditionelle Vorstellung, dass Frauen für das zünftige Handwerk, die harte Arbeit vor allem in der Holz-, Keramik- und Metallverarbeitung, nicht geeignet wären. Erschwerend kam hinzu, dass durch den Krieg Geld- und Materialknappheit herrschte, etwa in der Holzwerkstatt, so dass die Zahl der Studierenden dort begrenzt war. Gropius gab die Plätze dann doch lieber den Männern. Viele Frauen gingen in die Weberei, wo man aber zunächst gar keine Gesellenprüfung ablegen konnte.
Welche Frauen aus der Anfangszeit des Bauhaus sind besonders hervorzuheben?
Mir fallen Gunta Stölzl, Benita Koch-Otte und Marguerite Friedlaender-Wildenhain ein. Gunta Stölzl kam nach Weimar, weil sie unbedingt Weberei studieren wollte. Sie traf hier auf die Lehrerin Helene Börner, die sie später als „Handarbeitslehrerin älteren Stils“ bezeichnete. Gunta Stölzl und Benita Koch-Otte machten also ihr Ding, aus großer Experimentierlust heraus. So fanden sie ihren Weg, ihren Stil. Sie färbten ihre Garne selbst und entwickelten völlig neue Textildesigns. Marguerite Friedlaender-Wildenhain behauptete sich in der damaligen Männerdomäne der Töpferei.
Trotzdem wurden sie nicht so berühmt wie ihre männlichen Kollegen.
Das stimmt. Und doch haben einige von ihnen viel geschafft: Marguerite Friedlaender-Wildenhain etwa wurde als Keramikerin in den USA bekannt, nachdem sie als Jüdin in der NS-Zeit dorthin emigrieren musste. Sie baute eine Keramikschule auf und brachte das Weimarer oder eigentlich das Dornburger Bauhaus – in Dornburg war die keramische Werkstatt angesiedelt – in die USA. Sie wird dort bis heute sehr verehrt.

Als Keramikerin wurde die Bauhäuslerin Marguerite Friedlaender-Wildenhain in den USA sehr bekannt. © Otto Hagel, mit freundlicher Unterstützung von Stewards of the Coast and Redwoods.

Keramik und Weberei sind nun nicht so prestigeträchtige Disziplinen wie die Architektur, mit der viele Bauhaus- Männer Furore machten.
Ja, der Unterschied zwischen freier und angewandter Kunst wurde damals viel diskutiert. Immer einhergehend mit der Frage, wie sehr angewandte Kunst – etwa Töpferei oder Weberei – als Kunst anerkannt wird. Klar ist aber, dass die Frauen in der Weberei, der Frauenklasse, auch Ruhe und Raum für Experimente fanden.
Bei der ersten großen Bauhaus-Schau 1923 kam die Weberei sehr gut an, viele Besucherinnen und Besucher waren begeistert.
Es war von Anfang an die Idee, dass die Schule durch den Verkauf von Produkten besser dasteht – die Töpferei und Weberei waren da natürlich geeignet. Trotzdem gab es am Bauhaus den Konflikt darüber, dass die Studierenden noch in der Ausbildung waren. Sie sollten Fehler machen dürfen und nicht zwingend den Anforderungen an den professionellen Verkauf genügen müssen.

Teppich der Textildesignerin Benita Koch-Otte. © Klassik Stiftung Weimar.

Mit einer Sonderausstellung hat das Bauhaus-Museum Weimar zuletzt auch zwei Malerinnen gewürdigt. Die Schau „Weggefährtinnen der Moderne“ zeigte Arbeiten von Magda Langenstraß- Uhlig und Ella Bergmann-Michel. Warum gerade diese beiden Frauen?
Beide stehen stellvertretend für sehr originelle Frauen und herausragende Künstlerinnen, die schon an der Zeichenschule und später an der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar studiert hatten, bevor sie ans Bauhaus kamen. Ella Bergmann- Michel war eine Rebellin, die sehr viel vom Bauhaus erwartet hatte. Sie war dann aber schnell enttäuscht, die esoterische frühe Phase des Bauhauses gefiel ihr nicht. Sie verließ die Kunstschule bereits 1920 und bewegte sich danach in anderen Künstlerkreisen. Sie hat ungeheuer interessante konstruktivistische Experimente mit Fotographie gemacht, in denen sie sich intensiv mit der Darstellung von physikalischem Licht auseinandersetzte. Magda Langenstraß- Uhlig studierte zweimal am Bauhaus. Für sie war es nicht leicht: Sie hatte zwei Töchter, ihr Mann trennte sich und ging ohne sie in die USA. Sie fing nach dem Umzug des Bauhaus nach Dessau noch einmal an zu studieren.

Experimentierte mit Fotografie: Ella Bergmann-Michel. © Sprengel Museum Hannover/Archiv Robert Michel und Ella Bergmann-Michel.

Von ihren Männern verraten wurden auch andere Bauhaus-Frauen …
Die traditionelle Rollenaufteilung fand sich auch hier wieder. Die Designerin Lilly Reich etwa arbeitete eng mit Mies van der Rohe zusammen, sein berühmtes „daybed“ wird heute eher ihr zugeschrieben. Als er in die USA emigrierte, ging sie nicht mit, ihr Anteil an seiner Arbeit wurde schlicht vergessen. Es gab aber noch dramatischere, politische Schicksale: Margarete Mengel, Sekretärin am Bauhaus, war zunächst die Freundin des Architekten Hannes Meyer, die beiden hatten einen Sohn. 1931 – damals waren sie kein Paar mehr – folgte sie ihm nach Moskau, wo sie am Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaft mithelfen wollten. Meyer ging 1936 zurück in seine Heimat, die Schweiz. Margarete Mengel aber konnte ihm nicht folgen. Sie blieb in Moskau und geriet in die stalinistischen Säuberungen, nur ihr Sohn überlebte.
Andere Bauhaus-Künstlerinnen wurden Opfer der Nazis …
Die Textilkünstlerin Otti Berger und die Malerin Friedl Dicker wurden in Auschwitz ermordet, Dicker war zuvor noch im KZ Theresienstadt, selbst dort brachte sie Kindern noch das Zeichnen bei.

Einladung zum Bauhaus-Abend, gestaltet von Friedl Dicker. Schenkung aus dem Nachlass/Sünke Michel, © Klassik Stiftung Weimar.

Wie kommt es, dass es jetzt so ein großes Interesse an Bauhaus-Frauen gibt?
Das breite Interesse kam sicher durch die beiden filmischen Umsetzungen, „Lotte am Bauhaus“ und die Dokumentation „Bauhausfrauen“, die 2019 zum 100. Bauhaus-Geburtstag entstanden. Auch wir in der Klassik Stiftung möchten uns dem Thema Frauen am Bauhaus weiterhin widmen und planen eine Ausstellung zu den Schicksalen der vergessenen Bauhausfrauen. Mich interessiert vor allem, wie die Absolventinnen ihren Lebensunterhalt mit Kunst bestritten und was sie aus ihrem Studium gemacht haben.

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