Frau Hefter, als Schriftstellerin haben Sie mit Ihrem Roman „Hey, guten Morgen, wie geht es dir?“ den Buchpreis 2024 gewonnen. Ähnlich wie Ihre Protagonistin Juno sind Sie auch Performance-Künstlerin und Tänzerin. Wie wichtig ist der Einfluss verschiedener Kunst- bzw. Darstellungsformen für Ihr Schreiben?
Der ist eigentlich hauptsächlich in der der Hinsicht wichtig, dass ich gerne beides mache und auch beides in gewisser Weise immer machen muss, um mich wohlzufühlen: Ich muss tanzen und auch performative Pprojekte machen, um gute Laune zu haben und dann kann ich auch schreiben. Und andersrum ist es genauso.
Sie entfalten die Geschichte Ihrer Protagonistin rund um das Internetphänomen des Love Scammings. Was hat Sie an diesem Stoff besonders interessiert?
Mich haben daran mehrere Aspekte interessiert. Erstens mal ist es ein Phänomen, das wirklich sehr gehäuft auftritt und hauptsächlich aus Ländern des sogenannten globalen Südens ausgeht, mit zum Teil dramatischen Ausmaßen, also für beide Seiten. Erstens mal, es gibt ungeheuer viele Fallzahlen von betrogenen Frauen. Auf der anderen Seite gibt es eine riesige Bedürftigkeit, die dazu führt, dass man das macht und auch für sich als Perspektive sieht. Es gibt mittlerweile Zwangsarbeit in bestimmten südostasiatischen Ländern und das alleine war schon für mich Grund genug, mich damit zu beschäftigen.
„Guten Morgen, wie geht es dir?“ schildert unsere globalisierte Welt, eine Welt der scheinbaren Gleichzeitigkeiten zwischen Leipzig und Nigeria. Sind wir so vernetzt und zugleich so einsam wie nie?
Ich würde die beiden Stichworte gar nicht so sehr miteinander verknüpfen. Also die Vernetzung und die Einsamkeit, ich weiß gar nicht, ob die so viel miteinander zu tun haben. Man kann vernetzt sein und einsam und man kann vernetzt sein und nicht einsam. Man kann einsam sein, ohne jemals einen Computer besessen zu haben, wobei ich kaum glaube, dass es irgendjemanden noch gibt. Insofern würde ich sagen, nee, wir sind nicht so einsam wie nie. Ich glaube auch nicht, dass wir durch das Internet, durch die sozialen Medien nicht mehr miteinander reden.
In der Online-Kommunikation zwischen Juno und Benu spielt der Einsatz von Emojis und GIFs eine wichtige Rolle. Teilweise wirken die Dialogpassagen sehr lyrisch in Ihrer Anlage. Wie sind Sie bei der Konzeption dieser Dialoge vorgegangen?
Sie haben es ja schon gesagt, in Form von Versarbeit tatsächlich. Ich habe das in Versen umbrochen. Ich habe nicht einfach eine Zeile einfach willkürlich umbrochen, sondern habe geguckt, dass es eine Zeile ist, auch eine Verseinheit, also im weitesten Sinne ein abgeschlossener Satz, der auch schon etwas transportiert. Das hat sich auch angeboten, weil so Chatfenster zum Beispiel, wenn man die anguckt, die sind ja auch eigentlich Kästchen, wo ein Gedicht reinpassen würde, aber kein Fließtext in dem Sinne. Und das fand ich eine ganz schöne Gleichsetzung eigentlich, diese Kästchen mit gedichtförmigem Text oder so. Und ich glaube, dadurch ist der Eindruck dann auch entstanden, dass es eben nicht die normale Alltagssprache ist. Das wirkt am Anfang ein bisschen so, aber wenn man näher hinschaut, glaube ich, merkt man schon, dass es eben doch irgendwas anderes ist, das aber dann trotzdem vielleicht durch diesen Kniff etwas Lebendiges bekommt.
Die Weimarer Klassik lebt ja von ihrer Bezugnahme auf die antike Mythologie. Die meisten Figuren in ihrem Roman tragen ebenso die Namen antiker Gottheiten, leben und agieren ansonsten aber in einer postmodernen Welt. Was hat Sie dazu bewogen, Jupiter und Juno ins Heute zu holen?
Zuerst war einfach nur der Name Juno da. Und ich fand ihn so schön und habe natürlich schon immer an die Göttin, das ist die römische Entsprechung zu Hera, gedacht. Vielleicht ein bisschen heikel, aber ich fand ihn in jeder Hinsicht passend und habe mich dann erst für Jupiter entschieden. Erst ein bisschen, weil ich es auch originell fand, ehrlich gesagt. Ich habe gar nicht in so großen, ernsthaften, klassischen Bezugnahmen gedacht und habe mich dann auch erst nicht getraut, weil ich dachte, das ist ja ein bisschen frech. Aber dann hat sich herausgestellt, das zu machen war genau richtig, weil ich dadurch so einen ganz großen Abstand zu den Figuren bekommen habe und dann wirklich besser über diese Figuren schreiben konnte.