
Ansicht von Sils-Maria, Schweiz, Postkarte um 1910, © Klassik Stiftung Weimar
Nietzsches Reisen. Von Olivenwäldern und Orangen-bäumen
Ein rastloser Philosoph: Friedrich Nietzsche litt zeitlebens unter gesundheitlichen Beschwerden. Milderung versprachen Reisen, die den berühmten Denker im letzten Jahrzehnt vor seinem geistigen Zusammenbruch u.a. nach Frankreich, Italien und in die Schweiz führten.
»Sie müssen im nächsten Winter von Basel fort! Sie müssen sich ausruhen unter einem milderen Himmel, unter sympathischen Menschen, wo sie frei denken, reden und schaffen können, was ihre Seele füllt, und wo wahre verstehende Liebe sie umgibt«

Blick auf die Stadt Sorrent und den Vesuv, Aufnahme um 1890, © Klassik Stiftung Weimar
1876 zwangen ihn die zunehmenden Leiden zu einer Beurlaubung von seiner Professur an der Universität Basel. Den Winter verbrachte Nietzsche gemeinsam mit der mütterlichen Freundin Malwida von Meysenbug und seinen Schülern Paul Rée und Albert Brenner in Sorrent, im milden Klima am Golf von Neapel. Wie Malwida von Meysenbug überliefert, wurden viele Spaziergänge unternommen, man ging „herrliche Wege in das Gebirge durch Olivenwälder, neben Schluchten, aus welchen hohe Orangenbäume mit goldenen Früchten hervorstehn und auf der Höhe mit entzückenden Aussichten auf Meer, Vesuv usw.“ Wenn sich auch Nietzsches Gesundheit in dieser Zeit nicht besserte, so markierte der Winter 1876/77 doch einen wichtigen Wendepunkt in seinem Schaffen: die Abkehr von Wagner und eine Hinwendung zum Positivismus und zum für ihn später typischen Aphorismenstil.
»Hochgeachteter Herr Präsident! Der Zustand meiner Gesundheit, derentwegen ich schon mehrere Male mich mit einem Gesuche an Sie wenden musste, lässt mich heute den letzten Schritt thun und die Bitte aussprechen, aus meiner bisherigen Stellung als Lehrer an der Universität ausscheiden zu dürfen.«

Blick auf Lugano, Schweiz, Postkarte um 1900, koloriert, © Klassik Stiftung Weimar
»Lieber alter Freund, nun bin ich wieder im Ober-Engadin, zum dritten Male, und wieder fühle ich, daß hier und nirgends anderswo meine rechte Heimat und Brutstätte ist. Ach, was liegt noch Alles verborgen in mir und will Wort und Form werden! Es kann gar nicht still und hoch und einsam genug um mich sein, daß ich meine innersten Stimmen vernehmen kann!«

Ansicht von Sils-Maria, Schweiz, Postkarte um 1910, © Klassik Stiftung Weimar
Im Sommer bevorzugte Nietzsche das Schweizer Bergklima. In den Jahren 1881 und von 1883 bis 1888 logierte er in Sils-Maria, einem aufstrebenden Luftkurort im Oberengadin, in einem Gästehaus, das heute als ‚Nietzsche-Haus‘ ein kleines Museum beherbergt. Der Philosoph hatte in der Schweizer Bergwelt seine „rechte Heimat und Brutstätte“ gefunden, eine Gegend die ihm „blutsverwandt“ war. Sein zentraler Gedanke der „ewigen Wiederkunft“, der Nietzsche ähnlich einer Vision überkam, entstand in dieser Landschaft. Bereits im Jahr seines Todes 1900 wurde auf der Halbinsel Chasté am Silser See eine Gedenktafel für den großen Denker angebracht.
»Wenn die Sonne scheint, gehe ich immer auf einen einsamen Felsen am Meer und liege dort im Freien unter meinem Sonnenschirm still, wie eine Eidechse; das hat mehrere Male meinem Kopfe wieder aufgeholfen. Meer und reiner Himmel! Was habe ich mich früher gequält!«

Ansicht von Rapallo Richtung Osten, Postkarte, Aufnahme um 1900, © Klassik Stiftung Weimar
Im Winter zog es Nietzsche ans Mittelmeer, bevorzugt in die Gegend um Genua und Rapallo sowie gelegentlich nach Nizza. Seit der Fertigstellung des St. Gotthard-Eisenbahntunnels 1881 war die Reise zwischen der Schweiz und der Riviera schnell und mühelos zu bewältigen. Mit der üppigen Landschaft und dem milden mediterranen Klima verband sich die Hoffnung auf Besserung, der Wunsch nach reiner Luft und Wärme. Hier fand er die Inspiration, die er brauchte: In Rapallo schrieb er 1883 den ersten Teil des Zarathustra in wenigen Tagen. Immer wieder findet sich die Natur Italiens in Nietzsches Werken, am vielleicht deutlichsten in Form der glückseligen Inseln im zweiten Teil des Zarathustra.
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