Karl Peter Röhl, Sternenmännchen. Entwurf für den Bauhaus-Stempel, 1919, Slg. Freese
Sternenmännchen
Ein Signet für das Staatliche Bauhaus in Weimar
Im Jahr 1919 entstand in Weimar das Staatliche Bauhaus. Zu den frühen Fragen der Schule gehörte neben der inhaltlichen Programmatik und dem Lehrbetrieb auch diejenige nach einem Signet, das die Lehranstalt nach außen hin repräsentieren sollte. Erfahren Sie hier mehr zur Geschichte rund um das erste offizielle Logo der Bauhaus-Bewegung.
Walter Gropius betrachtete die mittelalterlichen Bauhütten als vorbildhaft für das Bauhaus, weil ihre Arbeit einem architektonischen Gesamtkunstwerk, dem sich Malerei, Plastik und alle gestaltenden Handwerke unterordneten, gegolten hatte. Die Bauhütten-Idee war das Leitmotiv der programmatischen Texte in Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar, die am 2. Mai 1919 gedruckt vorlagen. „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau! Ihn zu schmücken war einst die vornehmste Aufgabe der bildenden Künste, sie waren unablösliche Bestandteile der großen Baukunst.“, hieß es dort.1 Das bekannte Titelblatt Kathedrale von Lyonel Feininger wurde zu einem ikonischen Bild der Moderne. Als Schulsignet war dieses Motiv jedoch nicht geeignet.
Im Sommersemester 1919 wurde die Schülerschaft des Bauhauses zu einem Entwurfswettbewerb für das Signet eingeladen. Die Gestaltung des Erkennungszeichens und Siegels in die Hände der ehemaligen Hochschüler*innen zu geben, signalisierte ihnen, dass sie nicht verdrängt werden sollten, sondern zur aktiven Mitgestaltung eingeladen waren.2 Die meisten der Wettbewerbsentwürfe wurden anonym eingereicht. Viele griffen Handwerks- und Architekturmotive auf. Eine Einreichung bezog freimaurerische Motive ein.
Der Siegerentwurf stammte von Karl Peter Röhl, der mit seinem Sternenmännchen, das er in drei Versionen vorlegte, die Bauhaus-Idee am besten verbildlicht hatte. Georg Fischer, ein Meisterschüler von Walther Klemm, und Dörte Helm, die zum Freundeskreis um Röhl gehörte, teilten sich den dritten Preis.3 In allen drei Entwürfen stand eine menschliche Figur im Mittelpunkt.
Karl Peter Röhl stilisierte sie in der Art eines Strichmännchens. Die Position im Mittelpunkt eines Kreises mit gespreizten Armen und Beinen in strenger Symmetrie nimmt möglicherweise Bezug auf Leonardo da Vincis vitruvianischen Menschen, freilich ohne die Ursprungsidee der idealisierten Proportionen und ohne Bezug auf die Quadratur des Kreises. Röhl verwandte Symbole unterschiedlichster weltanschaulicher und religiöser Provenienz und versah den Stempel mit der komplexen Bildsprache seiner ‚kosmischen‘ Werke des Jahres 1919, etwa dem Stern oder einem Kometen, außerdem einem Sonnenrad.4 Annemarie Jaeggi schrieb mit Blick auf die Verwendung der Bauhütten-Symbolik am frühen Bauhaus: „Das […] Sternenmännchen trägt die Stufenpyramide, umgeben von der Sonne und einem siebeneckigen Stern sowie einem linksdrehenden Hakenkreuz und weiteren, runenartigen Zeichen. Thematisiert wird der kosmische Ursprung des Menschen, die Synthese der Gegensätze – Tag und Nacht, Mann und Frau, Schwarz und Weiß. Die Pyramide ist hierbei auch als nach oben gerichtetes Dreieck, dem Zeichen für die göttliche Weisheit, und die Stufen als der Weg zur Erkenntnis, dem Streben nach Höherem, zu lesen.“5 Die stilisierte Figur des Sternenmännchens findet sich in einer Werkgruppe stark farbiger Aquarelle von Röhl von 1920 wieder. Mit der Einführung des Sternenmännchens als offiziellem Schulsignet und Siegel drückte Röhl dem Bauhaus buchstäblich seinen Stempel auf.
1 Gropius: Manifest und Programm des Staatlichen Bauhaus Weimar. Weimar 1919.
2 Im Sommersemester 1919 waren lediglich 16 neue Studierende eingetreten.
3 Fischer studierte seit 1912 an der Hochschule.
4 Vgl. Constanze Hofstaetter: Karl Peter Röhl und die Moderne. Auf der Suche nach dem »Neuen Menschen«. Zwischen Nachexpressionismus, frühem Bauhaus und Internationalem Konstruktivismus. Petersberg 2007, S. 97f., hier S. 98. Hier findet sich auch eine eingehende motivische Analyse des Sternenmännchens.
5 Zur Symbolik des Sternenmännchens vgl. Annemarie Jaeggi: Ein geheimnisvolles Mysterium: Bauhütten-Romantik und Freimauerei am frühen Bauhaus. In: Christoph Wagner (Hg.): Das Bauhaus und die Esoterik. Johannes Itten, Wassily Kandinsky, Paul Klee. Ausst.-Kat. Bielefeld 2005, S. 37–53, S. 43 und Hofstaetter 2007, S. 98.
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