Karl Peter Röhl 1916, Foto: Unbekannt © Karl Peter Röhl Stiftung

„Toll war der Peter immer“

Karl Peter Röhl und die ‚Urzelle‘ des Bauhauses

Art: ArtikelAutor*in: Ute Ackermann
25.11.2025 4

Das Leben und Wirken des Künstlers Karl Peter Röhl erscheinen wie die gelebte Ambivalenz der Moderne: Der Bauhaus-Schüler bewegte sich zeitlebens zwischen Provokation und Anpassung, zwischen Gestaltungswillen und den Grenzen einer Gesellschaft im Wandel. Ute Ackermann skizziert die Biografie eines Künstlers des 20. Jahrhunderts, der sich selbst zur ‚Urzelle‘ der Bauhaus-Bewegung in Weimar zählte.

„Der Ziegenbock war sein Symbol. Der Himmel lachte, wenn er sprach, er machte wirklich gutes Wetter. Es war der ganze Kerl ein rotes Wunder. […] Mit den dynamischen Kräften der Erde stand er im Kontakt. Wo ich ihn sah, auf der Strasse, im Atelier, da wirbelte der Staub. Da wuchs die Welt, der Körper. Immer war er besoffen, überfressen. Immer selig. In ihm rauschten seine Farben, seine Bilder […]. Er selber war ein grosses Mass alles dessen, was er machte. Er wurde mit der Erde fett und mager. Sein Kopf nahm mit dem Monde zu. Kosmisch war der Peter. […]“

Als eine Art Urgewalt mit sonnigem Gemüt beschrieb Hugo Hertwig den Künstler Karl Peter Röhl, der wie ein Magnet die Menschen anzog und zu begeistern vermochte in einer Zeit, in der alles möglich schien. Röhl darf als Zentrum jener Gruppe von Studierenden gelten, die sich die Erneuerung der Weimarer Großherzoglich Sächsischen Hochschule für bildende Kunst auf die Fahnen geschrieben hatte und die Gropius und seine Bauhaus-Idee mit aller Kraft unterstützen wollte.

Als Staatliches Bauhaus Weimar sollte die ehemalige Akademie mit der seit 1915 geschlossenen Kunstgewerbeschule zur modernsten Kunstschule Deutschlands zusammenwachsen. Ein Superlativ, wie er den ‚jungen Wilden‘ der Kunsthochschule gerade recht war. Ekstase und Expressionismus waren die Ecksteine ihres künstlerischen Wesens und ihrer Feste, auf denen Röhl tanzte – „überlegen, unkörperlich, in völlig expressionistischen Bewegungen“. In den Augen seiner Mitstudierenden galt er als „überhaupt ein feiner Kerl: durchaus einheitlich, stilvoll, persönlich, stark [...]“.

Karl Peter Röhl mit Palette, um 1914, Foto: Unbekannt © Karl Peter Röhl Stiftung

Röhls Biografie erscheint uns heute wie die gelebte Ambivalenz der Moderne: spätimpressionistisch im Landschaftsfach beginnend, expressionistisch, konstruktivistisch und dann wieder ganz gegenständlich arbeitete er, nahm die verschiedenen Strömungen der künstlerischen Avantgarde ganz in sich auf und bewegte sich spiralförmig um sie herum, kehrte zu vermeintlich Überwundenem zurück, um es erneut zu überwinden. Röhl wurde 1919 wegen seiner Illustrationen in der spartakistischen Zeitschrift Prolet angefeindet. Er trat 1934 keineswegs allein aus opportunistischen Gründen in die NSDAP ein, wurde Blockwart und Leiter eines örtlichen Kulturamtes. Schulungszeugnisse aus dieser Zeit bestätigen ihm eine gefestigte Weltanschauung und loben seine Kameradschaftlichkeit. Seine Werke wurden von den Nationalsozialisten in den Museen beschlagnahmt, er lehrte aber bis 1942 weiter an der Frankfurter Kunstschule. Die näheren Umstände seiner Entlassung aus dieser Anstellung sind, wie Constanze Hofstaetter schreibt, keinesfalls mit Röhls Bauhaus-Vergangenheit oder dem Vorwurf des sogenannten Kulturbolschewismus durch die Nationalsozialisten zu begründen.

In Röhls künstlerischer Biografie war die frühe Bauhaus-Zeit zwischen 1919 und 1921 wohl die intensivste Phase: Mittelpunkt eines Freundeskreises, trinkfest und charismatisch, mitreißend, begabt und künstlerisch weit fortgeschritten hielt er sich im Epizentrum jener Erschütterungen auf, die das Bauhaus-Programm an der Weimarer Hochschule und in der Stadt erzeugte. Noch 1953 schilderte er lebhafte Erinnerungen an diese Zeit. Anlass bot eine grundsätzliche Kritik am kühl-rationalen Stil der Bauhaus-Moderne, die der Architekt Rudolf Schwarz in der bedeutenden Architekturzeitschrift Baukunst und Werkform veröffentlicht hatte. Namhafte Autoren nahmen in Briefen zu dieser Kritik Stellung. Im Heft 2/3 publizierte der Herausgeber Alfons Leitl neben anderen auch Röhls Statement. Leitls Sammeltitel Sieben Stimmen zur Berichtigung des Geschichtsbildes von Rudolf Schwarz legte nahe, dass Schwarz’ Geschichtsbild grundsätzlich falsch sei und die Autoren der Wortmeldungen in der Lage wären, die Fehler aufzuzeigen und zu korrigieren. So ist auch Röhls hymnischer Erinnerungsaufsatz Menschen und Atmosphäre in Weimar motiviert, dem die Zeitzeugenschaft des Autors als Garant für die richtige, die wahre Wahrheit als Subtext unterlegt ist. Und dort lesen wir jenes kühne Statement des ehemaligen Meisterschülers Röhl: „Die Schüler der Hochschule bildeten die Urzelle des späteren Bauhauses.“

Wie kam der ehemalige Meisterschü­ler der Hochschule und späterer Bauhaus-Schüler in den 1950er Jahren zu jener Behauptung?

Kann die nachträgliche Zuschreibung und damit die tatsächliche Einflussnahme Karl Peter Röhls und seiner Freunde auf die nachfolgende Bauhaus-Bewegung heutzutage durchaus kritisch hinterfragt werden, steht doch eines fest: War die Bauhaus-Idee für manche Studierende der Hoch­schule eine Herausforderung, stieß sie bei anderen auf lebhafte Begeisterung. Längst gehegte Reformvorstellungen trafen sich mit dem radikal neuen Bauhaus-Programm. Wenig deutete im ersten Semester auf die später sachliche Ästhetik und moderne Lebenskultur des Bauhauses hin. In Weimar wurden in den ersten Monaten des Bauhauses anarchistische Ideen disku­tiert, wurde dem Dada gehuldigt, der Kosmos neu gedacht, expressionistisch gemalt und gefeiert. Missverständnisse erzeugten die notwendige Reibung für eine Klärung und Ver­wirklichung des Bauhaus-Programms. Sinnlich bunt und auf­regend waren diese ersten Semester des Bauhauses, bevor sich die Dinge ordneten. Eine Zeit des Aufbruchs, wie gemacht für die „ganz radikale[n] ungeberdige[n] Elemente“ in Karl Peter Röhls Freundeskreis.